Am 22. November 2025 wird der Historiker Raphael Rues im Rahmen der Vorlesung von Dr. Peter Jankovsky in Ascona einen besonderen Vortrag über die Operation Sunrise halten – genau dort, wo vor 80 Jahren eines der dramatischsten Kapitel der Schweizer Geschichte geschrieben wurde. Im Hotel Eden Roc, nur wenige hundert Meter von den originalen Verhandlungsorten entfernt, wird Rues die geheimen Treffen zwischen SS-General Karl Wolff und dem amerikanischen Geheimdienstchef Allen Dulles beleuchten.
Die Wahl Asconas als Veranstaltungsort ist dabei alles andere als zufällig. Im März 1945 trafen sich hier, in der diskreten Atmosphäre der Tessiner Kleinstadt, die Vertreter der verfeindeten Mächte zu Verhandlungen, die den Zweiten Weltkrieg in Italien vorzeitig beenden sollten. Rues, der kürzlich für das Schweizer Fernsehen eine historische Casa-Museo zu diesem Thema eröffnete, kennt jeden Winkel dieser Geschichte.

“Es ist bewegend, an genau dem Ort zu sprechen, wo Geschichte geschrieben wurde”, betont Rues. In seinem Vortrag wird er aufzeigen, wie der Schweizer Geheimdienstoffizier Max Waibel eigenmächtig und ohne Wissen des Bundesrates diese folgenreichen Treffen organisierte. Die neutrale Schweiz wurde dabei zum Schauplatz einer Operation, die tausende Leben rettete, aber auch die Grenzen der Neutralität austestete.
Besonders faszinierend ist die Rolle Asconas: Die Stadt bot mit ihrer Nähe zur italienischen Grenze und der garantierten Diskretion der lokalen Behörden ideale Bedingungen für die geheimen Verhandlungen. Hier, in eleganten Villen und Hotels, diskutierten hochrangige SS-Offiziere mit amerikanischen Agenten über nichts Geringeres als die Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Norditalien.
Rues wird auch die Schattenseiten dieser Geschichte beleuchten: Waibel wurde trotz des Erfolgs der Mission – die Kapitulation erfolgte am 2. Mai 1945, sechs Tage vor Kriegsende – von der Schweizer Regierung gerügt. Sein mutiges, aber eigenmächtiges Handeln hatte die Neutralität der Schweiz gefährdet.

Der Vortrag, organisiert von Dr. Peter Jankovsky (Agorà Ascona) und der Volkshochschule Zürich im Rahmen des Jubiläums “100 Jahre Friedensvertrag von Locarno”, verbindet lokale Geschichte mit welthistorischen Ereignissen. Für Geschichtsinteressierte bietet sich die einmalige Gelegenheit, mehr über diese wenig bekannte, aber entscheidende Episode zu erfahren – erzählt von einem Experten, der die Quellen wie kein anderer kennt und die Geschichte lebendig werden lässt.

