Am Sonntag 27. Juli 2025 lädt das malerische Bergdorf Loco im Valle Onsernone zu einem besonderen literarischen Ereignis ein. Bei Annette Korolnik und Alexander Grass findet ein Nachmittag statt, der sich den Briefwechseln des bedeutenden deutschen Nachkriegsautors Alfred Andersch widmet – eine Veranstaltung, die nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihren Ort von besonderer Bedeutung ist.

Alfred Hellmuth Andersch (1914-1980) gehört zu den prägenden Stimmen der deutschen Nachkriegsliteratur. Als Gründungsmitglied der Gruppe 47, Rundfunkredakteur und Herausgeber literarischer Zeitschriften formte er die kulturelle Landschaft der jungen Bundesrepublik entscheidend mit. Seine Werke kreisten stets um die zentrale Frage der menschlichen Willensfreiheit – ein Thema, das er aus seiner eigenen Lebenserfahrung schöpfte. In seinem autobiographischen Bericht “Die Kirschen der Freiheit” (1952) verarbeitete er seine Fahnenflucht als existentialistische Entscheidung zur Freiheit. Diese Thematik durchzieht sein gesamtes Werk, von “Sansibar oder der letzte Grund” über “Die Rote” bis zu “Efraim”.
Dass diese Veranstaltung im Valle Onsernone stattfindet, ist kein Zufall. Andersch verbrachte seine letzten Lebensjahre in Berzona, nur wenige Kilometer von Loco entfernt. Das Tessin wurde für ihn zur Wahlheimat, zu einem Ort der Reflexion und des Schaffens. Die Landschaft des Onsernone-Tals mit ihrer kargen Schönheit findet sich in seinen späten Werken wieder.
Der literarische Nachmittag, der von 13:30 bis 16:30 Uhr dauert, verspricht tiefe Einblicke in Anderschs persönliche und literarische Beziehungen. Die Anwesenheit von Annette Korolnik Andersch, Künstlerin und Tochter des Schriftstellers, verleiht der Veranstaltung eine besondere und persönliche Note.
Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt, wobei für Essen und Trinken gesorgt ist. Der Veranstaltungsort Rossa, ein Ortsteil von Loco ohne Strassenanschluss, ist nur über einen Wanderweg erreichbar – eine Abgeschiedenheit, die Andersch selbst geschätzt hätte. Die Anreise erfolgt idealerweise mit dem Post-Auto von Locarno nach Loco Chiesa.
Dieser literarische Nachmittag bietet eine seltene Gelegenheit, sich intensiv mit dem Werk und den persönlichen Beziehungen eines Autors auseinanderzusetzen, der die deutsche Literatur nachhaltig prägte. In der Abgeschiedenheit des Onsernone-Tals, wo Andersch seine letzten Jahre verbrachte, werden seine Briefe und Gedanken wieder lebendig – ein Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Literatur und Leben.